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Nicht viele Worte machen

Wie gelingt es bei einer Trauerfeier, nicht viele Worte zu machen, aber doch das Notwendige und Tröstende zu sagen?

Nicht viele Worte machen: Die Silhouette eines Mannes am Wasser unter einem klaren Abendhimmel
Schweigen zwischen Himmel und Erde (Bild: Free-PhotosPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir halten die Trauerfeier aus Anlass des Todes von Herrn G. und denken an die christliche Botschaft, die uns allen gilt. So spricht der Herr (Jesaja 43, 1):

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Wir beten mit Worten aus dem Psalm 90:

1 Herr, du bist unsre Zuflucht für und für.

2 Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

3 Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!

4 Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.

5 Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst,

6 das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt.

10 Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn‘s hoch kommt, so sind‘s achtzig Jahre, und was daran köstlich scheint, ist doch nur vergebliche Mühe; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.

12 Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

13 HERR, kehre dich doch endlich wieder zu uns und sei deinen Knechten gnädig!

14 Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang.

15 Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest, nachdem wir so lange Unglück leiden.

17 Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns. Ja, das Werk unsrer Hände wollest du fördern!

Liebe Trauernde!

Ich wäre an diesem Nachmittag lieber einen anderen Weg gegangen als diesen Weg zum Friedhof hinaus, wäre lieber am Friedhofstor abgebogen, um zu Hause mit Herrn G. seinen Geburtstag zu feiern; denn der ist heute, gerade an seinem Beerdigungstag. Nach den letzten Wochen der Krankheit, die den sonst immer Gesunden getroffen hatte, hätten wir ihm auch gern Geburtstagsgrüße ans Krankenbett gebracht. Doch nun sind wir hier, um ihm ein letztes Mal einen Gruß zu bringen, von dem er nichts mehr hört. Es hat sich bewahrheitet, was er nach seiner letzten Geburtstagsfeier, heute vor einem Jahr, die ihm sehr gut gefallen hatte, gesagt hat: dass er glaube, es werde sein letzter Geburtstag gewesen sein.

Wer hätte das wirklich gedacht? Ein Mann, der nie krank war, der stark wirkte wie ein Baum – nun plötzlich schwer krank und so schnell gestorben und dabei noch erlöst von längerem und qualvollerem Leiden. Gewünscht hat er sich den Tod sicher nicht – über 100 Jahre alt wäre er am liebsten geworden -, doch nun fügte er sich auch in diesen vielleicht schwersten Abschnitt seines Lebens, begleitet von denen, die ihm am nächsten standen, bei denen er auch in Gedanken wohl war, wenn sie nicht bei ihm im Krankenhaus sein konnten. Als ich ihn das letzte Mal dort besuchte und ich ihn nur kurz sehen konnte, da sagte er mir: Gehen Sie doch mal zu meiner Tochter. In seiner Krankheit dachte er an die, die sich um ihn Sorgen machten.

Als ich darüber nachdachte, über welchen Bibelspruch ich in dieser Trauerfeier sprechen sollte, fiel mir ein Vers aus dem Buch des Predigers Salomo in die Augen (Prediger 5, 1 – Zürcher Bibel, 2. Auflage © 2007, 2008 Verlag der Zürcher Bibel beim Theologischen Verlag Zürich AG):

Gott ist im Himmel, und du bist auf der Erde. Darum mach nicht viele Worte.

Herr G. hätte es sicher nicht gern gehabt, wenn wir viele Worte über ihn machen würden. Er selbst hat auch nicht viel gesagt darüber, was er von Gott und von Religion hält. Er war aber nicht verschlossen oder untätig eingemauert in seine vier Wände, sondern man traf ihn eigentlich eher auf der Straße an, wenn er mit seinem Fahrrad unterwegs war, als zu Hause. Ich weiß vielleicht nicht viel von ihm, doch ich erlebte ihn so und hörte von ihm so erzählen: immer zu einem freundschaftlichen Gespräch bereit, hilfsbereit, wenn Freunde, ob jung oder alt, ihn brauchten. Er war da, wo jemand sonst allein gewesen wäre; er wurde von vielen – so wie es sein soll – so genommen, angenommen, akzeptiert und geliebt, so wie er eben war, mit seinen starken und schwachen Seiten.

Und nun ist er nicht mehr da, und viele vermissen ihn, sind etwas mehr allein; viele denken an ihn, was er uns bedeutet hat und was wir über ihn gedacht haben, als er noch lebte.

Dieser Abschied fällt schwer, auch wenn wir wissen, dass zu unserem Leben auf Erden auch der Tod gehört. „Du bist auf der Erde“ – das heißt: wir sind Geschöpfe, die ihr Leben nicht aus sich selber haben. Geschöpfe, die über ihren Anfang und ihr Ende nicht selber bestimmen. „Du bist auf der Erde“ – das heißt auch: wir leben in einer Welt der Kämpfe, Nöte, Schwierigkeiten, die es zu meistern gilt, in denen wir oft aber auch nicht weiterkommen oder unterliegen. Das Leben ist wahrhaftig auch Freude, dann aber auch wieder Bedrohung, Unsicherheit, Ringen um echte Nähe und echte Freundschaft, nicht zuletzt Kampf um die Existenz.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Der Tod setzt nun – unerwartet früh – aller Freude und allem Leid, aller eigenen Anstrengung und allem, was ihm geschenkt war, ein Ende.

Und was bleibt?

Was bleibt, das ist in unserem kurzen Bibelvers durch die Worte: „Gott ist im Himmel“ ausgedrückt. Damit ist nicht jener Himmel gemeint, in dem Gestirne und Satelliten kreisen. „Gott ist im Himmel“ will sagen: Gott lebt, doch ist es kein menschliches Leben von der Geburt zum Tod. „Himmel“ verstehe ich als Zusage: alles vergeht, Gott aber bleibt im Leben und Sterben der Lebendige und Zuverlässige. In diesem Sinne können wir auch die Auferweckung Christi von den Toten und die Verheißung einer Auferstehung aller Toten verstehen: dass Gott zuverlässig ist, dass er seinen Geschöpfen treu bleibt – auch dann, wenn alles aufhört. Mehr brauchen wir nicht, mehr sollten wir vielleicht auch nicht sagen. „Macht nicht viele Worte!“ Was wir uns vorstellen über das, was mit uns im Tode oder nach dem Tode geschieht, ist in jedem Fall unzulänglich und vielleicht mehr oder weniger falsch.

Und doch ist es viel, wenn wir im Glauben an Gottes Zuverlässigkeit nicht einem schwarzen Nichts entgegenleben und entgegensterben, sondern auch da einer letzten, uns unbegreiflichen Geborgenheit entgegengehen können. Das ist nicht nur im Hinblick auf den Verstorbenen, sondern ebenso sehr im Hinblick auf uns selbst gesagt, die wir jetzt noch ein Stück weiterleben dürfen. Wo Gott der Himmel ist, der Horizont unseres Daseins ist, da ist immer wieder Leben, da sind auch neue Anfänge möglich. Wenn wir seiner Verlässlichkeit trauen, verändert sich unser Denken und Hoffen und damit unmerklich unser Leben überhaupt. Wir fragen nach Wahrheit, nach Ehrlichkeit, nach echter Nähe und Freundschaft, nach den Menschen, die uns brauchen, nach denen, denen wir wehgetan haben, nach denen, deren Nähe wir uns wünschen, gerade in einer schweren Zeit. Amen.

Herr, unser Gott, wir bestimmen als deine Geschöpfe nicht selber über den Anfang und das Ende unseres Lebens. Dazwischen liegt unsere Verantwortung für unser Leben, der Augenblick, den wir leben, ist in unsere Hand gegeben. Und dann – der Tod scheint uns in der Hand zu haben, doch du, Herr, bist der Herr über Leben und Tod, und so unbegreiflich es für uns ist, hältst du uns in der Hand im Leben und im Sterben.

Was ist tröstlicher – und was ist wahr? – dass der Tod ein blindes Schicksal sei oder dass er wie ein Befehl aus deinem Munde ist? Herr G. musste deinem Befehl Folge leisten. „Gehorsam ist er auf Befehl des Herrn Gott seinen letzten Weg gegangen.“ Mögest du ihn aufnehmen in dein Reich und schauen lassen die ewige Herrlichkeit. Darum bitten wir dich.

Und für alle, die traurig sind, bitten wir dich: dass sie jemanden finden, der im Alleinsein bei ihnen ist, dass sie neue Wege sehen, ihr Leben zu führen, dass sie sich durch deine Liebe gehalten wissen. Amen.

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