…Ein schönes Ende der Josefsgeschichte stelle ich mir so vor: Die Brüder Josefs werden endlich wirklich erwachsen. Auch sie können weinen über das, was sie entbehrt haben. Sie sehen ein: ihre Gewalttat damals war keine Lösung. Auch sie erkennen Gottes wunderbare Wege – aus ihrer Bosheit ließ Gott Gutes wachsen. Und vielleicht empfinden sie jetzt Josef gegenüber sogar brüderliche Gefühle.
Heraus aus dem Schneckenhaus!
…Jesus scheint aufmerksam auf das zu achten, was ihm die Jünger gerade dadurch sagen, indem sie es ihm nicht direkt sagen, er spürt, wie sie sich seelisch ein-igeln, sich sozusagen in ihr Schneckenhaus hinein verkriechen, nur um ja nichts zu spüren von ihrer Sorge um Jesus und von ihrer verzweifelten Angst, was denn sein würde, wenn Jesus wirklich sterben muss.
Neue Erlaubnisse im Gottvertrauen
…Es gibt feindliche Stimmen um uns herum und auch in uns drin: „Du bist nichts wert, wenn du schwach bist! Reiß dich zusammen, sonst musst du dich schämen!“ Neue Erlaubnisse müssen her: „Lass dich fühlen, was du fühlst! Nimm dich, wie du bist! Trau dich, um Hilfe zu bitten! Du bist ein kostbarer Mensch, denn Gott hat dich unendlich lieb!“
Ein Senfkorn lehrt uns Hoffnung
…Gerade die unscheinbaren Gesten der Liebe lassen uns leben. Das Gefühl, ein Arzt tut meine Sorgen nicht einfach ab – eine Schwester hört mich an mitten in der Nacht, wenn ich vor Angst nicht schlafen kann – eine Mitpatientin nimmt mich in den Arm. In all dem hält Gott uns fest und lässt uns nicht in einen Abgrund fallen.
Das Leben gewinnt an Breite, Länge, Höhe, Tiefe
…Das Leben gewinnt an Breite – wir müssen nicht stur geradeaus gehen, ohne nach rechts oder links zu schauen. Es gewinnt an Länge – die Vergangenheit ist nicht mehr ein Klotz am Bein, die Zukunft kein dunkler Abgrund. Wir bekommen Kraft aus der Höhe und gewinnen Mut, uns dem zu stellen, was in der Tiefe unserer Seele verborgen liegt.
Geburtshelfer für eine Neugeburt durch Gott
…Vielleicht spürt durch uns ein anderer Mensch, dass auch er ein geliebtes Kind Gottes ist. Wenn das Vertrauen zu Gott und zum Leben und zu uns selbst in uns gewachsen ist, können wir anderen Menschen mit weniger Angst begegnen, wir können uns wehren, wenn wir verletzt oder ausgenutzt werden, wir können uns gegenseitig achten und schützen und behutsam miteinander umgehen.
Alles hat seine Zeit – und im Herzen liegt Ewigkeit
…Den Sinn des Lebens kann man nicht im Hin und Her des Lebens selbst entdecken. Doch „Gott hat den Menschen die Ewigkeit in ihr Herz gelegt!“ Was wir Menschen tun, das wird vergehen. Aber wenn wir wissen, dass wir von Gott geliebt sind, vom ewigen Gott, dann können wir unser Leben annehmen mit „gutem Mut bei all unseren Mühen“.
Mündige Kinder
…Die Bibel will uns nicht entmündigen, sondern Anleitung zum Wachstum im Glauben und in der Liebe geben. Als Erwachsene sind wir selbst verantwortlich für unser Verhalten, für unseren Glauben, ja sogar für unsere Gefühle. Aber dieses Wachstum bedeutet nicht, dass wir dann anderen etwas voraus haben im Sinne von „größer oder besser sein“.
Trauer und Angst nicht verdrängen
…Es ist viel gewonnen, wenn wir uns gestatten, Trauer und vielleicht auch manche Angst zu empfinden. Solche Gefühle zu überspielen, kann gefährlich werden. Abstumpfung kann krank machen, kann auch zum Hass gegen andere führen. Gestehe ich mir nicht ein, verletzt zu sein, gerate ich in die Gefahr, ohne es zu wollen, andere zu verletzen.
Brauchen wir Jesus?
…Seit Jesus gelebt hat, ist es nicht mehr nötig, Gott zu Gefallen zu leben. Wenn ich Gott meine Wut sage, ihm meine Angst, meine Langeweile klage, vielleicht finde ich dadurch zu einem echteren, tieferen Gebet. Ich nehme mich, meine Gefühle ernst, ich nehme Gott ernst. Ich spüre mehr und mehr, dass auch Gott mich ernst nimmt.